
Jochen Wulfkühler schreibt den Blog Radfahren-in-Dresden.de und sitzt u. a. für BikeCityGuide.org im Sattel.
“Von einer Probefahrt ist bisher noch jeder mit einem breiten Grinsen im Gesicht zurück gekommen.” Das hat mir kürzlich eine Radverkäuferin in Nordrhein-Westfalen berichtet, die ich zur Kundenzufriedenheit ausgequetscht habe. Pedelecs haben sich in den “Flachländern” wie eine Seuche verbreitet.
Eigentlich bräuchte man die überschüssige Kraft doch eher in kräftig welligem Gelände, funktionieren sie da genau so gut? Die Kurzantwort: Ja, klar – und mein zufriedenes Grinsen habe ich bei der ENSO-RUNDUM-TOUR doch etwas schamhaft versteckt.
Als Pedelec-Tester habe ich mich beworben, da ich genau dieser Frage nachgehen will: Hat die Technik aufgeholt? Als vor einiger Zeit ein Dresdner Zeitungsredakteur den Elbhang – für Kenner: die Grundstraße – hinaufgeprescht war, kam er nach nur 30 Probekilometern mit fast leerem Akku wieder in die Redaktion zurück. Entsprechend zwiespältig fiel das Fazit aus.
Ist mein Proberad ausreichend geladen? Wie fallen die Steigungen im Tharandter Wald wohl aus? Darüber denke ich nach, als ich an der Weißeritz entlang von Dresden zum Startplatz radele. Ein Pedelec mit leerem Akku ist ähnlich schwer über die Hügel zu bringen wie mein Hollandrad, mit dem ich anreise.
An der Kuppelhalle wird gerade pünktlich der erste Pulk auf die Strecke gelassen, als ich eintreffe. Petrus scheint kein Einsehen zu haben, der Papierkram wird feucht. Der Himmel bleibt über den ersten Teil des Rundkurses bedeckt. Doch das ist ein Vorteil. Denn die Streckenplaner haben einen ambitionierten Kurs erstellt. Die Highlights der “Energieroute”: Meilerplatz, Wasserkraftanlage, Talsperre, Lehrpfad – und natürlich die Verpflegungsstellen – sind geschickt eingebaut.
Mein Garmin-GPS zeichnet die Route auf. Die Auswertung wird hinterher 800 Höhenmeter bei einer Streckenlänge von 37 Kilometern ergeben. Das ist für eine Freizeittour nicht eben wenig. Ich bin froh, dass ich die Höhen quasi hinauf fliegen kann. Aus Solidarität mit den “echten” Pedaleuren habe ich konsequent auf die vierte und stärkste Antriebsstufe verzichtet. Dennoch erreiche ich einen Durchschnitt von 16 km/h in den Steigungen, bergab gar über 23. Zum Schluss sind noch zwei Teilstriche Restkapazität am Display verzeichnet. Dabei habe ich noch einen Extraausflug mit 100 zusätzlichen Höhenmetern gleich zu Beginn unternommen, bin am Meilerplatz vorbeigestürmt. Die Geschwindigkeit macht doch ein wenig einsam, der einzige Nachteil, den ich heute finden werde.
Und ich bin bei der Einweisung nicht aufmerksam genug gewesen, habe die falsche Taste bedient. Die Generatorfunktion (Rekuperation) lädt nämlich Einheiten in den Akku zurück und bremst das Rad dabei ohne Bremseneinsatz ab. Gut, die Extraportion habe ich nicht gebraucht. Stattdessen musste der Pannendienst zu einem kleinen Malheur am Rastplatz gerufen werden. Das hat aber wunderbar geklappt. Dafür – und für die gute Absicherung der Strecke mit Posten und Warnhinweisen – ein Extralob.
Mein Fazit: Das Diamant-Pedelec hat mir einen sehr schönen Sonntag beschert. Im Ziel angekommen lacht sogar die Sonne. Ich bin sicher, dass man diese Technik im Alltag einsetzen kann und dass sie unsere Mobilität bereichert. Auch für mich ist schon was in Planung, aber das ist ein anderes Thema.